Bill Bruford, London 06.02.2009

"Der Drummer schlägt zurück"

Was ist Ihr Favorit unter den zahlreichen Schlagzeuger-Witzen?

Tut mir leid, aber ich kenne keine Schlagzeuger-Witze.

Das glaube ich nicht.

Was ist denn Ihr Lieblingswitz?

Der Saxophonist Alan Skidmore hat ihn erzählt: Warum hält der Schlagzeuger die Fenstervorhänge bis zum Nachmittag geschlossen?

Ja, warum?

Damit er nachmittags noch was zu tun hat.

(lacht). Der einzige Witz, den ich kenne, geht so: Wie nennt man den Kerl, der mit vier Musikern herumhängt?

Warum gibt es so viele Schlagzeuger-Witze?

Offen gestanden, ich weiß es nicht. Aber unter den Berliner Philharmonikern kursieren wahrscheinlich Witze über die Violaspieler. Es kommt auf das Genre an. In Jazz Big Bands handeln die Witze oft von Posaunisten. Schlagzeuger sind halt auch nur Musiker.

Würden Sie negieren, dass der Schlagzeuger in der Hierarchie unten steht?

Die Geschichte zeigt: ja. Es wurde auf ihn herabgeschaut, er wurde teilweise als Zirkusnummer verstanden. Und wenn man sieht, wie Carl Palmer eine Glocke mit den Zähnen bedient und sich seines Hemdes entledigt, dann zieht er eine lange Linie bis zu Vaudeville und British Music Hall und zu den frühen Tagen des amerikanischen Jazz, als der Schlagzeuger für visuelles Entertainment stand.

Und jetzt hat der Schlagzeuger sogar ein Buch geschrieben, eine Autobiographie!

Ja, der Schlagzeuger kann sogar schreiben! Ermüdet von den Witzen über sich holt der Drummer zum Gegenschlag aus.

Ich bin sicher, dass mancher Leser Ihr Buch nach einem Ghostwriter durchforsten wird.

Vielleicht. Aber sie werden sehr enttäuscht, denn das ist schon sehr meine eigene Story. So, wie es da liegt, hätte das Buch niemand außer mir schreiben können.

Haben Sie es ohne jede Schreiberfahrung verfasst?

Ja. Ich habe zwar etliche Artikel in Fachmagazinen geschrieben, nicht zuletzt hatte ich auch einen sehr guten Lektor beim Verlag Jawbone.

Sie haben sich also an den Computer gesetzt und geschrieben?

Ja. Ich hatte über die Jahre freilich schon verschiedene Gedanken und Emotionen skizziert. Nach einer Weile stellte sich heraus, dass daraus ein Buch werden könnte. Ich hatte zudem ein Cultural Studies Seminar im Rahmen eines Bachelor Studiums in Guildford gehalten, über die Populäre Musik des 20. Jahrhunderts von 1929 bis zur Gegenwart. Für dieses Seminar habe ich viel geforscht, vieles aus dem Material faszinierte mich so, dass ich es für das Buch verwandt habe. Das Buch geht von meinen persönlichen Erfahrungen aus und extrapoliert sie zu einem größeren Bild über die Bedeutung von Musik. Wie gehen wir mit Musik um? Wozu ist sie da? Was macht eigentlich der Schlagzeuger - tagsüber?

Sie haben ein Seminar gegeben, ohne an einer Universität je eingeschrieben gewesen zu sein...

...stimmt, mit Ausnahme zweier Monate an der Leeds University. Ich habe in Guildford an der Academy Of Contemporary Music unterrichtet, vor drei oder vier Jahren, drei Seminare jeweils von Januar bis ins Frühjahr. Dabei ist mir sehr viel Lektüre untergekommen.

Bei dieser Gelegenheit sind Sie vermutlich auf Theoretiker wie Simon Frith und Chris Cutler gestoßen, die Sie zitieren.

Ja, ich habe vieles aus dieser Ecke gelesen.

Die Theorie zur Praxis stellte sich demnach recht spät ein.

Ja. Wunsch und Passion zu spielen waren zuerst da. Ein Buch zu schreiben, hilft einem zu verstehen, was man da eigentlich so getrieben hat über all die Jahre.

Die Ankündigung der Autobiographie - anlässlich Ihres 60. Geburtstages am 17. Mai 2009 - ging einher mit der Nachricht, dass Bill Bruford mit Wirkung vom 1. Januar 2009 nicht mehr live auftritt. Nicht wenige werden das für einen Witz gehalten haben!

Ist es aber nicht, ich halte es für absolut vernünftig. In der Tat handelt das Buch zum Teil ja vom Aufhören. Wie hört man auf? Warum werden die Rolling Stones nicht aufhören? Warum müssen Mott The Hoople wieder antreten? Warum ist es das Schicksal von Musikern, in Hotelzimmern zu sterben? Warum ist mir nicht erlaubt, mich genau so wie mein Vater im Alter von 60 Jahren zurückzuziehen? Ich habe 41 Jahre lang gespielt. Und nach 41 Jahren kann ich Ihnen versichern: das war´s von mir. Ich habe genug gegeben.
Bill Bruford, London, 6.2.09Haben Sie auch aufgehört zu üben?

Nein, ich spiele auch weiterhin Schlagzeug. Das ist sehr gut für die Koordination des Gehirns.

Und es gibt niemanden, der Sie mit einem größeren Scheck wieder auf die Bühne bewegen kann?

Niemanden. Ich habe das Interesse daran verloren. Ich bin so gut wie überall aufgetreten, wo ich auftreten wollte. Speziell die letzten Kapitel des Buches beschäftigen sich damit, warum ich nicht weiter öffentlich spiele. Das hat damit zu tun, dass man jedes Konzert spielt, als wäre es das letzte. Und nach 41 Jahren kann diese Haltung sehr ermüden. Das Buch handelt auch vom Gegensatz zwischen der privaten und der öffentlichen Person. Von der Schwierigkeit, die eher privat orientierten Menschen - wie mir - daraus erwächst, dass sie sich durchgängig an Sie heranmachen müssen. Das ist ein sehr unerfreulicher Aspekt des modernen Musikertums. Ich muss mich verkaufen. Ich bin gehalten, viele Interviews zu geben, ich mss erklären, um welche Musik es geht. Das ist nicht langweilig, keineswegs, es ist eher ein wenig "unziemlich", wie Merryl Streep es heute morgen im Frühstücksfernsehen bezeichnet hat. Es ist ein wenig unziemlich, sich immer wieder zu überwinden und anderen Menschen aufdrängen zu müssen: "Ich habe diese Platte gemacht, ich habe jenes Buch geschrieben." Es ist eine Wohltat, sich zurückziehen zu können.

Das bedeutet also nicht, dass es keine weiteren neuen Aufnahmen von Bill Bruford geben wird?

Korrekt. Ende letzten Jahres wurde eine Produktion beendet, die im Sommer veröffentlicht wird und speziell Ihnen gefallen dürfte; keine ausgesprochene Jazz-Aufnahme, zusammen mit dem britischen Komponisten Colin Riley. Er kommt aus der Klassik, arbeitet aber in der Schnittmenge zwischen Jazz und Rock und Klassischer Musik. Colin hat Musik komponiert, die von einer Gruppe von Minimal-Musikern interpretiert wird: "Piano Circus", mit Bill Bruford am Schlagzeug. Das Album heißt "Skin and Wire".

Wie werden Sie Ihre Tage verbringen?

Ich weiß es noch nicht so genau, in diesem Jahr bin ich gut beschäftigt. Diese CD wird veröffentlicht. Ich betreibe meine beiden Label Summerfold und Winterfold Records. Dann muss ich natürlich das Buch promoten. Dieses Jahr bin ich ausgebucht, über das nächste weiß ich noch nichts. Aber ich weiß definitiv, worum es nicht gehen wird: keine Reisen! Keine Zeit am Computer! Es werden lokale Aktivitäten sein, zusammen mit anderen Menschen.

Wie haben die Kollegen reagiert?

(zögert) Überrascht, nach dem Motto "Das kann doch nicht Dein Ernst sein". Ich habe kein Problem aufzuhören, aber es ist ungewöhnlich. Musikern scheint es nicht erlaubt zu sein, in den Ruhestand zu gehen. Warum sollte ein Picasso sich zurückziehen? Ich denke, jeder ist auf eine andere Art Musiker. Manchem fliegt die Musik nur so zu, für den ist es die reinste Entspannung. Er wandelt durchs Leben mit immer neuen Ideen, wie ein Kind - wie Picasso. Andere, mich eingeschlossen, finden das Musikmachen viel anstrengender; es ist beschwerlich, man ist immer in Sorge um die Qualität, um ihren Nutzen ("ist sie der Mühen wert?"). Im Großen und Ganzen bin ich ganz zufrieden mit dem, was ich produziert habe, ich habe mein Bestes gegeben, ich habe viele Menschen erreicht. Ich bin froh aufzuhören.

Kennen Sie "The Real Frank Zappa Book"?

Nein.

Schade, bei Zappa findet man übrigens eine Musiker-Typologie, die mit - mit anderen Begrifen - der Ihren verwandt scheint. Heisst es bei Zappa "music comes from composers - not musicians", so haben Sie im Buch deutlich zwischen "Künstlern" und "Handwerkern" unterschieden. Sehen Sie Verwandtschaften zu Zappa?

Ja, sie könnten vorhanden sein. Jon Anderson (Yes) war übrigens ähnlicher Auffassung. Er hielt den Komponisten für den Chef und den Musiker für dessen ausführenden Beamten, der nur existiert, um den Willen des Komponisten umzusetzen. Wir vergessen hier allerdings den Jazzmusiker, der komponiert, indem er spielt. Eben das macht den Jazzmusiker so interessant: er ist beides, er ist im gleichen Moment Komponist und Musiker. Das zeichnet diese Gattung aus, diese Musik wird auf der Bühne komponiert.

Ohnehin liest sich dieses Buch wie ein Lob des Jazzmusikers, wie ich es nie zuvor erlebt habe. Witzigerweise haben Sie sich schon sehr früh wie ein Jazzmusiker verhalten, bei Yes (1968-72), ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein.

Stimmt. Als junger Mann hätte ich eigentlich Jazzmusiker sei sollen, ich hatte aber keine Vorstellung davon. 1968 in London wollte jeder lieber zur Band von Jimi Hendrix gehören als zum Spontaneous Music Ensemble, kein vernünftiger Schlagzeuger wäre auf diese Idee gekommen. Ich bin in diesen Rockgruppen gewesen und habe mich verändert, wie Sie betonen. "Woher kommt dieser Impuls sich stets zu wandeln?", habe ich mich gefragt - das ist die Natur des Jazzmusikers. Ja, ich denke schon, dieses Buch versucht eine Lanze für den Jazzmusiker zu brechen, der heute in England eine Art Witzfigur zu werden droht. Wenn ich sage "Jazz", dann hat man keine Vorstellung davon und verbindet damit Kenny Ball, Acker Bilk oder Chris Barber. Die mit den gestreiften Jackets und den Bowler Hats.

Nicht Jamie Cullum?

Jamie Cullum auch, ja. Es ist also weitgehend unbekannt, worum es sich bei einem Jazzmusiker handelt. Wir beide wissen das. Aber ich versuche, auch Leuten jenseits unserer Szene zu erklären, was ein solcher Musiker auf höchstem Niveau tut.

Das Gegenmodell zum Jazzmusiker in Ihrem Buch ist Yes. Während der bereits ein komplettes Stück eingespielt hat, haben die Yes-Mitglieder sich gerade mal geeinigt, welche Sandwiches sie bestellen wollen.

Yes war eine sehr langsame Gruppe. Damals war viel Geld vorhanden. Man könnte sich erlauben, dass fünf Leute an einem Tag nur das Instrumentarium aufbauen und erst am nächsten mit den Proben beginnen. Eine Extravaganz sondergleichen, heute undenkbar. Yes hat sich nur sehr langsam bewegt, viel zu langsam für mich, ich wollte einfach wieder frische Luft atmen.

Der deutsche Kabarettist Hanns-Dieter Hüsch hat einmal ein Buch veröffentlicht unter dem Titel "Du kommst auch drin vor!" In ihrem Buch kommen viele vor, und zwei unter ihnen werden darüber eher missvergnügt sein, z.B. Chris Squire von Yes. Sie äußern sich sehr kritisch über Ihre Zusammenarbeit.

Was halten Sie für so kritisch?

Sie schreiben über ihn, die größte Kränkung, die man einem Kollegen antun könnte, sei, ihn warten zu lassen. Und er hat Sie häufig warten lassen.

Das hat aber nichts mit Musik zu tun; es ist die Kritik an einem Kollegen, mit dem ich kontinuierlich zusammen gearbeitet habe. Ich kann nur nicht ertragen, auf andere zu warten. Seine Musik finde ich klasse. Er hat lange gebraucht herauszufinden, wohin er eigentlich will. Aber als er schließlich dort ankam, hatte er gute Arbeit geleistet, insbesondere auf seinen frühen Aufnahmen. Ich habe kein Problem damit. Ich wollte nur nicht länger als nötig mit ihm zusammenarbeiten.

Der andere, der missvergnügt sein dürfte, ist der Manager von Yes, Brian Lane.

Ich denke, der Begriff "Missvergnügen" trifft nicht ganz zu. Brian Lane war ein Pitbull Terrier. Und genau in dieser Rolle war er gefragt. Ohne Brian Lane sässe ich gar nicht jetzt hier. Wenn der Pitbill dir selbst ins Bein beisst, ist das nicht so schön. Und bei mir hat er es getan. Egal, wir sitzen jetzt hier, und Brian Lane hat Yes berühmt gemacht.

Robert Fripp, vermute ich, wird das Buch ebenso mit gemischten Gefühlen aufnehmen. Ich hatte den Eindruck, Sie konnte noch so gerade vermeiden, ihn als "maximo lider" zu titulieren.

Oh ja, "unser furchtloser Führer!" Aber so war er, er hatte durchaus Züge von Kim il Sung, dem Großen Vorsitzenden in Nord Korea. Meine Kommentare zu Robert zeugen von großer Zuneigung. Und Sie werden bemerkt haben, dass ich an anderer Stelle des Buches ihm ewig dankbar bin dafür, in einer der wenigen Rockbands gewesen zu sein, in der man auf dem Schlagzeug spielen durfte, was man wollte. Wer Fantasie hatte, der konnte sie bei King Crimson ausleben.

So analytisch das Buch in den meisten Teilen ist, es gibt doch eine Stelle, wo ich sagen würde, da werden Sie sentimental. Auf Seite 142 schreiben Sie: "Wenn das Kabinett des britischen Premierministers auf dem selben Niveau kooperierte wie das legendäre Miles Davis Quintet, dann würden wir eine völlig andere Form des Regierens erfahren."

(Bruford lacht)

Und dann zitieren Sie einen Theoretiker namens Theo van Leuuwen aus Holland: "Musik kann als abstraktes Abbild sozialer Organisation verstanden werden, als die Geometrie einer sozialen Struktur." Ich halte das für ein wenig blau-äugig oder naiv; es handelt sich um ein Beispiel der uralten Wiederspiegelungs-Theorie. Tatsächlich arbeitet das Kabinett des Premierministers unter völlig anderen Voraussetzungen als die Miles Davis Group.

Ich akzeptiere die Kritik, ich will mich nicht mit Ihnen streiten.

Sie sollten aber doch Ihre Position verteidigen. Miles Davis hat die meiste Zeit überhaupt nichts über seine Absichten gesagt, er hatte auch keine Opposition.

Ich glaube, das stimmt.

Außerdem ist der Handlungsspielraum des Premierministers eng begrenzt.

Vielleicht sollte der Premierministers das auch sagen und mal schauen, was die anderen um ihn herum tun. Das Problem liegt in übersteigertem Management, Micro-Management. Der Premierminister glaubt, er müsse alles tun; Miles war nicht der Auffassung, alles tun zu müssen - er hat sich auf den Pianisten verlassen.

Hier ziehen Sie eine sehr ferne Analogie heran.

Ja, das mag weit hergeholt sein.

Inwieweit haben Sie sich mit Musik-Theorie und -Philosophie beschäftigt, wenn Sie schon jemanden wie Theo van Leeuwen zitieren?

Nicht sehr viel, nicht viel mehr als man von einem normalen Musiker erwarten dürfte, der sich einen Reim auf die Dinge machen will. Das ist u.a. auch Absicht dieses Buches. Ich richte mich vor allem an Leute, die gar nicht wissen, was ein Schlagzeuger so treibt. Die Idee zu diesem Buch entstand unmittelbar aus dem Kontakt mit Leuten, die mich fragen, was ich eigentlich tue: "Schlagzeuger? Interessant! - Aber was machen Sie tagsüber?" Das trägt unter Musikern immer zur Erheiterung bei: "Was treiben Sie tagsüber? Ich reise. Ich arbeite wie ein Bekloppter, um abends um 8 auf der Bühne stehen zu können."

"Aber, was machen Sie wirklich?" Viele halten Musik für ein Hobby, dem man gelegentlich, abends, nachgeht. Und dass man daneben noch einen richtigen Beruf hat. Diese Haltung ist weit verbreitet, jedenfalls hier in England. Und an solche Leute richtet sich dieses Buch. Und denen möchte ich grob erklären, was ein Schlagzeuger tut. Was bedeutet es, Schlagzeug zu spielen?

Wie fühlt man sich, wenn man in einem Jazzclub spielt oder in einem Stadion?

Vielleicht noch eine Frage an den Schlagzeuger: wie kommt es, dass England über viele Jahre so viele exzellente Schlagzeuger hervorgebracht hat? Von Phil Seaman über Ginger Baker, Sie selbst, Gary Husband, Mark Mondesir - schaut aus, als gäbe es da irgendwo ein Nest.

Ich weiß darauf zunächst so recht keine Antwort. Unsere amerikanischen Kollegen scheinen handwerklich besser zu sein, aber über weniger Phantasie zu verfügen. Die Briten können recht gut die Tatsache ignorieren, dass sie handwerklich über geringere Kapazitäten verfügen, diese aber viel erfindungsreicher einsetzen. Mitch Mitchell z.B., der Schlagzeuger von Jimi Hendrix, hat Elvin Jones nachgemacht - aber er hat Elvin Jones zu den Massen gebracht. Ich war, wenn man so will, anfangs sehr stark von Max Roach beeinflußt, und irgendwie bringt dieser bleiche Jüngling Max Roach zu den Massen. Vielleicht sind wir deren Abkömmlinge, aber wir haben keine Scheu, das zu tun, was wir uns zutrauen. Amerikaner sind meist besser trainiert, aber oft eben auch konservativ.

Wenn wir den Fokus jetzt noch weiter aufziehen - können Sie einen Schlagzeuger aus dem kontinentalen Europa nennen, der mit den vorigen mithalten kann?

Schlagzeuger und Musik sind untrennbar verbunden, der Schlagzeuger braucht den musikalischen Kontext, um glänzen zu können...jetzt bin ich ins Stocken geraten - nein ich kenne meine kontinentalen Kollegen nicht, das sollte ich aber. Einen, den ich seit jeher liebe, ist der französische Schlagzeuger Daniel Humair. Mir gefällt insbesondere, wenn er von den drei Dingen in seinem Leben spricht: obenan steht das Kochen, dann folgt die Malerei und ganz am Rande das Schlagzeugspielen, wobei er nie geprobt und geübt haben will. (lacht) Und er ist obendrein auch noch ein richtig guter Schlagzeuger. Das ist sein voller Ernst, er betrachtet Schlagzeugspielen als einen Teil seines Lebens neben vielen anderen, er kann nicht stundenlang darüber reden. Und das bewundere ich sehr. Manche Leute finden Schlagzeugspielen sehr leicht, und Daniel gehört dazu. Für mich ist es viel schwerer. Ich benötige einen musikalischen Zusammenhang, eine rationale Begründung - und dann kann ich spielen. Ohne das bin ich verloren.

Ihr Sohn, Alex, spielt gleichfalls Schlagzeug. Ist er vom Vater beeinflußt oder geht er bewußt in eine Gegenrichtung?

Natürlich spielt er ganz was anderes (lacht). Er ist ein toller Bursche, er studiert das Schlagzeug nicht so wie ich, ihn interessiert mehr der mediale Aspekt, wie man eine Rockband zum Erfolg führt. Er gehört zu einer Band namens The Infadels, die kurz vor dem Durchbruch steht. Tatsache ist, hier in England braucht´s schon eine Menge Geld, um ein populärer Künstler zu sein. Dieses Geld kommt entweder von EMI oder sonstwoher. Ohne das kommt man nicht weit.

 

© Michael Rüsenberg, 2009

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