RAVI COLTRANE (2000)

EIN MUSIKALISCHES SCHLÜSSELERLEBNIS WAR FÜR MICH...

...als ich mich richtig mit Musik beschäftigt habe.

Eigentlich sollte ich eher sagen: als die Musik mich gepackt hat.

Das war ein bedeutender Abschnitt meines Lebens.

Ich war nicht mal mehr besonders jung zu diesem Zeitpunkt, und ich kann auch nicht behaupten, die Musik meines Vaters zuvor nicht gehört zu haben.

Aber als ich 19 oder 20 war, so um den Dreh herum, da fing ich an, sie mit einem anderen Bewußtsein zu hören.

Sie wurde schließlich der entscheidende Auslöser dafür, dass auch ich zu spielen begann.

EIN VÖLLIGER FEHLKAUF WAR DIE PLATTE...

Oh je, diese Liste würde unendlich lang sein - meine Platte wäre wahrscheinlich auch dabei.

Aber ich halte es nicht für Geldverschwendung, wenn ich mir Platten kaufe, die mich nich ansprechen.

Man kann sie z.B. an jemanden weiterreichen, der die entsprechende Musik mag.

In den meisten Fällen habe ich jedenfalls eine Vorstellung davon, was mich erwartet.

Häufig kaufen die Leute Platten, weil sie irgendwas darÜber gelesen haben, ohne den Künstler wirklich zu kennen. Es wirdein solcher Bohei getrieben - genügend Anlässe also, um enttäuscht zu werden.

Besser ist in jedem Falle, Über einschlägige Kenntnisse zu verfügen, indem man halt Radio hört oder - noch besser - in die Clubs geht.

MAN KÖNNTE MICH NACHTS WECKEN FÜR...

(schmunzelt)

Das ist eine schwierige Frage...

Mitten in der Nacht!?

Mein Sohn weckt mich mitten in der Nacht; jedesmal wenn er schreit, renne ich hin. Er ist fünf Monate alt.

Er heisst William, ihm lasse ich alles durchgehen.

Musikalische Gründe?

William ist Musik für mich!

ES FÄLLT MIR SCHWER ZUZUGEBEN, ABER ICH STEHE WIRKLICH AUF...

Ich schäme mich ja zuzugeben - aber ich mag liebend gerne Video-Spiele!

Ich bin wirklich ein Video-Game-Fan.

Natürlich habe ich früher schon gespielt, in den 70ern, da habe ich geflippert und "Asteroiden" und solche Sachen gespielt.

In den letzten 3, 4 Jahren bin ich dazu gekommen, zu Hause auf dem Bildschirm zu spielen - kann einen ganz schön süchtig machen.

EINE MUSIK, DIE ICH MIR NOCH ERARBEITEN MUSS, IST...

Meine jetzige Musik!

Es ist eine ständige Suche, oder sollte eine ständige Suche sein.

Was immer man auch tut - am besten dafür ist die Einstellung, dass man seine Ziele doch nicht vollständig erreichen wird.

Es gibt immer noch etwas zu lernen, zu erforschen oder miteinzubeziehen.

Für meine gegenwärtige Musik ist es nicht notwendig, Dixieland zu lernen oder wie dieser oder jener zu spielen.

Ich spiele nicht so, dass ich eines Tages einen guten Musiklehrer abgäbe und 50 Stilen beherrschte.

Ich werde hoffentlich eines Tages meinen eigenen Stil gefunden haben, wie auch immer der klingen mag.

Darauf möchte ich die meiste Zeit verwenden, und nicht darauf, wie jemand anders zu klingen - das führt eh zu nichts.

EIN MUSIKALISCHER TRAUM VON MIR IST...

Ich bewundere die grosssen Saxophonisten, von denen viele auch noch leben.

Mein musikalischer Traum wäre, mit einigen von ihnen zu spielen.

Dummerweise bin ich Saxophonist, also wird mich wohl kaum Wayne Shorter oder Sonny Rollins für ein Konzert anrufen.

Als Schlagzeuger oder Bassist hätte ich eine grössere Chance dazu.

Das ist mein ewiger Traum, diesen Leuten nahezu sein, ihnen einfach zuzuschauen.

Ich habe lustige und auch sehr ernsthafte Erfahrungen mit älteren Musikern gemacht, wie z.B. Elvin Jones, sogar auch

McCoy Tyner in bestimmten Situationen, oder auch Jack DeJohnette, Kenny Barron, Joanne Brackeen.

Wenn ich das nun auf die grossen Saxophonisten übertragen könnte....bis auf ein sehr spezielles Projekt oder eine Big Band gibt´s dafür keine Chance.

Aber mein Traum ist es schon.

WICHTIGER ALS MUSIK IST MIR...

Vor der Geburt meines Sohnes war ich der Auffassung,

Musik sei das wichtigste.

Für mich ist das Leben eine From des Ausdrucks.

Egal, was man macht - man lebt, um etwas zum Ausdruck zu bringen, den anderen in seiner Umgebung mitzuteilen.

Musik und Leben können das gleiche sein.

Musik ist sehr, sehr wichtig.

Aber ich kann mir auch nichts wichtigers vorstellen als sich persönlich auszudrücken.

Ein Kind kann Teil dieses Ausdrucks sein, ganz bestimmt für meine Frau und mich.

Und bald wird es selbst soweit sein, sich zu artikulieren.

BEETHOVEN...

Wenn ich den Namen Beethoven höre, dann denke ich:

ich sollte vielleicht doch mehr Klassiche Musik hören!

Ich mag die Klassik des vergangenen Jahrhunderts, und ich habe vermutlich mehr Strawinsky und Dvorak und Ravel als Beethoven gehört.

PRINCE...

Eine bedeutende Figur in der Musik.

Was ich als Jugendlicher gehört habe - bei ihm ist alles vorhanden.

James Brown, Sly Stone, Jimi Hendrix - er kombiniert diese grossen Gestalten.

Er tut dies auf eine sehr moderne Weise.

Wenn er mich anriefe, ich käme sofort.

JOHN CAGE...

Mit dieser Art experimenteller Musik bin ich bisher wenig in Kontakt gekommen, vorwiegend im College.

Ich möchte irgendwann mehr davon hören.

BEATLES...

Ich glaube, die Beatles habe ich zuerst in der High School gehört, aber ganz weit im Hintergrund.

Der Vordergrund war von Rhythm & Blues besetzt, von Prince, James Brown, von Earth, Wind & Fire usw.

Im College habe ich dann die volle Dosis Beatles abgekriegt, ja ich bin ein Fan aller ihrer Platten.

"Abbey Road" ist eine der wichtigen Aufnahmen aller Zeiten.

JOHN ZORN...

Ein unglaublicher Saxophonist und ein unglaublicher Denker.

Er hat eine Menge zu sagen und doch sehr bodenständig.

Es geht ihm einzig um die Musik.

Er drängt niemandem auf, was er spielen oder tun oder lassen sollte.

Er war immer sehr nett zu mir. Wir haben im vergangenen Jahr bei einem Konzert ein paar kurze Duos gespielt.

Das war unglaublich.

KARLHEINZ STOCKHAUSEN...

(lacht)

Ich glaube, ich blamiere mich, weil ich von Stockhausen keine Ahnung habe.

MADONNA...

Ich werde mich wohl schon wieder blamieren...

ich kümmere mich um diese Art von Musik nicht.

Sie ist eine gute Geschäftsfrau.

MILES DAVIS...

Ich habe neulich die 6-CD-Box gehört, Miles Davis mit John Coltrane, veröffentlichte und unveröffentliche Aufnahmen.

Ich staune immer wieder über diesen Typus des jungen Mannes, der so früh in seiner Karriere schon mit einem ganz Grossen, mit Charlie Parker, gearbeitet hat.

Und er ist einfach immer an der Spitze neuer Entwicklungen geblieben.

1955 hält er an einem Mann wie John Coltrane fest, wo andere meinen, er solle ihn rausschmeissen.

Man kann hören, wie sich die Musik von 1955 auf 1957 und dann 1960 fortentwickelt, und natürlich auch seine Band.

Er hat eine Menge geleistet, möglicherweise mehr als jeder andere in dieser Musik.

PAVAROTTI...

Ich weiss nur ein wenig über Oper. Ich weiss aber, dass er in den späten sechzigern, frühen siebzigern wirklich schon

ein Star war. Und heute singt er immer noch.

Ein erstaunlicher Musiker, wenn er sich so lange halten kann. Die Karrieren von Opernsängern dauern nicht immer so lange.

ALBERT MANGELSDORFF...

Noch ein bedeutender Musiker, von dem ich mehr hören sollte.

ZAPPA...

Ja, gerade letzte Woche im Zug habe ich noch Zappa gehört.

Steve Haas hatte ein paar CDs dabei.

Noch eine sehr eklektisch, sehr offen orientierte Gestalt, die genau wusste, was sie wollte.

John Zorn fällt mir in diesem Zusammenhang auch ein.

Er hatte seinen Spass, war wild...und sehr talentiert.

Er kannte sich offenkundig sehr gut aus, hat dort, wo es nötig war, interveniert und eine ganz schön wilder Musik gemacht.

REIF FüR DIE INSEL - DIESE PLATTEN NEHME ICH MIT...

Das ist fast unmöglich zu beantworten, weil ich eigentlich gar nicht sagen kann, ich hätte ein Lieblingsplatte.

Ich kann gar nicht sagen, ich hätte eine Lieblingsaufnahme von John Coltrane. Oder von Monk. Oder von Miles Davis.

Sie alle haben perfekte Aufnahmen gemacht, die wichtige Elemente enthalten.

Ich kann gar nicht sagen, dass ich ein bestimmtes bevorzuge.

Natürlich fühlt man sich manchmal zu einem mehr hingezogen als zu anderen - für mich haben sie alle das gleiche Gewicht und verfolgen denselben Zweck.

Wenn ich wirklich wählen müsste, würde ich vielleicht einen Sampler nehmen mit allem, was ich mag.

Meine eigenen Aufnahmen würde ich schön zu Hause lassen.

Ich weiss, wie sie klingen.


 

 

©2002 by Michael Rüsenberg